Auszeichnung für das weltweit erste „Passivhaus Plus“

23. Juli 2015

Mit einem Einfamilienhaus in Baden-Württemberg hat ein neues Kapitel des energieeffizienten Bauens begonnen: Das Gebäude in der Ortschaft Ötigheim bei Karlsruhe erhielt als weltweit erstes das Zertifikat „Passivhaus Plus“. Das innovative Konzept verbindet die bewährten Vorteile eines Passivhauses mit der Erzeugung erneuerbarer Energie am Gebäude – und zwar so, dass ein vollständig erneuerbares regionales Versorgungskonzept möglich wird. Ein „Passivhaus Plus“ ist somit eine ideale Lösung für die Energiewende. Die vom Passivhaus Institut präzise festgelegten Kriterien ermöglichen zugleich eine verlässliche Orientierung für jeden Bauherren.

Bei dem neuen Einfamilienhaus in Ötigheim war die Passivhaus-Zertifizierung nach dem neuen System bereits erfolgreich. (Foto: Scholz/Gerber)

Bei dem neuen Einfamilienhaus in Ötigheim war die Passivhaus-Zertifizierung nach dem neuen System bereits erfolgreich. (Foto: Scholz/Gerber)

Grundlage des Passivhaus-Standards ist zunächst eine Optimierung des Energieverbrauchs. Der Heizwärmebedarf liegt bei maximal 15 kWh/(m²a) – dies entspricht etwa einem Zehntel des Werts im aktuellen Gebäudebestand. Der Gesamtbedarf an „erneuerbarer Primärenergie“ darf in einem „klassischen“ Passivhaus höchstens 60 kWh/(m²a) betragen. Ein „Passivhaus Plus“ ist noch effizienter: Hier liegt die Obergrenze für den Gesamtbedarf bei 45 kWh/(m²a). Zugleich müssen mindestens 60 kWh/(m²a) an erneuerbarer Energie erzeugt werden – hier bezogen auf die überbaute Fläche. Wenn ein Grundstück dazu nicht geeignet ist, lassen sich auch Investitionen in externe Neuanlagen zur Erzeugung regenerativer Energie anrechnen.

Das aktuell mit einem Zertifikat des Passivhaus Instituts ausgezeichnete Gebäude in Ötigheim erfüllt die Kriterien der Plus-Klasse deutlich: Der Heizwärmebedarf des Einfamilienhauses liegt bei nur 13 kWh/(m²a), der Gesamtbedarf an erneuerbarer Primärenergie wurde mit dem Planungstool PHPP auf 28 kWh/(m²EBFa) bestimmt. Für die Erzeugung von Energie sorgt eine 64 m² große Photovoltaikanlage auf dem nach Süden ausgerichteten Pultdach. Insgesamt erzeugt das „Passivhaus Plus“ damit 76 kWh/(m²Grunda) an erneuerbarer Primärenergie. Das reicht in jedem Fall für eine ganzjährige Energieversorgung, selbst beim heutigen Stand der Speichertechnik und der damit verbundenen Verluste. Für Effizienz sorgen wie bei jedem Passivhaus eine sehr gute Wärmedämmung, dreifach-verglaste Fenster, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, eine luftdichte Gebäudehülle und eine weitgehend wärmebrückenfreie Konstruktion.

Das neue Zertifizierungssystem des Passivhaus Instituts wurde mit der Veröffentlichung der PHPP-Version 9 eingeführt. Neben dem seit fast 25 Jahren bewährten „Passivhaus Classic“ gibt es seitdem nicht nur das „Passivhaus Plus“, sondern als weitere Klasse auch das noch anspruchsvollere „Passivhaus Premium“. Hier ist der Energiebedarf sogar auf 30 kWh/(m²a) begrenzt, die Energieerzeugung muss mindestens 120 kWh/(m²a) betragen. Solche Häuser sind damit effektiv kleine Kraftwerke für eine künftige, nachhaltige Versorgungsstruktur.

Grundlage der Berechnung ist in allen drei Fällen das sogenannte PER-Konzept – da alle Gebäude für die Zukunft gebaut werden, und somit nicht auf die Rahmenbedingungen der Gegenwart hin optimiert werden sollten, wird im PHPP 9 anstelle von Primärenergiefaktoren für fossile Brennstoffe die regionale und jahreszeitliche Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie betrachtet. Für die einzelnen Energieanwendungen werden PER-Faktoren bestimmt (PER = Primary Energy Renewable), die angeben, wie viele kWh erneuerbare Primärenergie für eine kWh benötigte Energie erzeugt werden müssen. Dieses Prinzip wird nun auch für die Zertifizierung von Passivhäusern eingeführt – wobei hier für eine Übergangszeit das alte System noch als alternativer Zertifizierungsweg bestehen bleibt.

Bei dem neuen Einfamilienhaus in Ötigheim war die Passivhaus-Zertifizierung nach dem neuen System bereits erfolgreich. „Dieses Gebäude beweist, dass der Aufbau einer vollständig auf erneuerbarer Energie beruhenden Infrastruktur schon heute für jeden Bauherren möglich ist“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts. „Die erheblich verbesserte Energieeffizienz des Passivhauses erlaubt es, die oft diskutierten zeitlichen Diskrepanzen zwischen Erzeugung und Bedarf und das resultierende Speicherproblem mit geringem Aufwand zu überwinden.“

Schreiben Sie einen Kommentar